ROSSO im RONDO

Severin Corti, Gastrokritiker der Tageszeitung »DerStandard«, hat das ROSSO besucht und darüber eine wunderbare Reportage in der Wochenendbeilage RONDO veröffentlicht. Vielen Dank dafür. Seinen ganzen Bericht inklusive exklusiven Bildern kann man auf der Website des »DerStandard« nachlesen.

Damit dieser wohlwollende Bericht nicht verloren geht, hier der Text auch im Wortlaut …

Gintenreiter macht Linzer Nobelitaliener Rosso zur Top-Fischadresse

Mit dem jungen oberösterreichischen Spitzenkoch Florian Gintenreiter wird jetzt ausgerechnet Linz zur Topadresse für kreative Meeresküche

Von Severin Corti, 2. Juni 2023, 12:00 Uhr

Vor drei Jahren war an dieser Stelle schon einmal von Florian Gintenreiter zu lesen. Da fiel der junge Oberösterreicher im Gasthof Rahofer in Kronstorf auf, den er, nach Souschef-Posten in einigen der Top-Bistros von Paris (Saturne, Vantre) und bei Philip Rachinger am Mühltalhof, zu einer aufregend guten Adresse hochkochte.

Insofern war schon ein bissl Blues angesagt, als die Partnerschaft vor einigen Wochen recht plötzlich endete. Jetzt ist der hochgewachsene Mann mit dem verwegenen G’schau zum Glück aber wieder da – und an bekannt guter Adresse noch dazu. Das Rosso di Acqua e Sole des in Italien aufgewachsenen Oberösterreichers Ingmar Goetzloff ist seit Jahren ein Kompetenzzentrum für mediterranes Essen aus wirklich guten Grundprodukten in Linz. Fleisch und Lardo kommen von Dario Cecchini aus der Toskana, mit dem Goetzloff eine »familiäre Freundschaft« pflegt, kapitalen Wildfang und Meeresfrüchte lässt er von der französischen Atlantikküste kommen, Pasta fertigt seine Schwester Judith. Die Viktualien steuern seit Jahren gepflegte Kleinproduzenten bei, richtig seriöse Weine gibt’s natürlich auch. Und Linz hat ganz offensichtlich eine Szene weltläufiger Freunde des exquisiten Essens, die derlei Kompromisslosigkeit beim Geschmack zu schätzen wissen.

Mit Gintenreiter hat Goetzloff jetzt einen Koch an der Seite, der daraus ebenso geradlinige wie gewagte, traumwandlerisch stimmige Kompositionen zu fertigen weiß. Schließlich hatte Gintenreiter in Paris mit Sven Chartier und Marco Pelletier echte Säulenheilige der Edel-Bistronomie als Mentoren, dementsprechend organisch weiß er mit Meeresfisch und -früchten umzugehen. Und genau die machen jetzt den Löwenanteil der täglich »mindestens einmal« frisch geschriebenen Karte mit den Empfehlungen aus.

Ganz zum Anfang darf es aber Lammherz sein, das als Tartare mit eingelegten grünen Erdbeeren und geräuchertem Sellerie zu einem Willkommenshappen kombiniert wird. Geht wie ein Knatterblitz am Gaumen los: Irrsinnig dichte und intensive Eindrücke prasseln da auf einen ein, rauchig, sauer, süß und saftig, zart und wild, vielgestaltig gut.

Spätestens dann ist man wach. Gut so: Gelbschwanzmakrele, vier Wochen trockengereift, wird in fett-seidigen Schnitten mit gehobeltem Spargel, Maiwipfeln und Basilikumöl zum tonisierenden Luxussalat, wahnsinnig gut. Tuna-Ravioli sind ebenfalls roh, der Fisch als Tartare in hauchdünne Scheiben vom Kohlrabi gehüllt und mit Zesten von allerhand Zitrusfrüchten, Radicchio und Buttermilchfrischkäse kombiniert, schmeckt so fein gewebt knackig, frisch und parfümiert, wie es klingt. Dann wird’s genial: Sardinen, entgrätet, werden durch tiefschwarzen, mit Sepiatinte aufgeladenen Tempurateig gezogen, frittiert und als knusprige Kissen voll Meereswucht mit bissig saurer Dillmayo kombiniert – null Chichi, genau, was man braucht.

Crudo von der Gräte

Zwischendurch Pasta ripiena, Brennessel-Cjarsons mit subtil zimtiger Fischsauce, mit Lammblut gebunden, so arg wie gut. Dann wird’s richtig wild: Weil am Vormittag ein leinengeangelter 5-kg-Steinbutt angeliefert wurde, gibt es, zuerst einmal die Gräten: Das dazwischenliegende Fleisch herausgekratzt, einerseits als Crudo, mit Zirbenhonig und Apfelessig zum Eintunken, und andererseits als Tartare, der noble Schmelz nur sparsam mit Kräutern und Meeresspargel aromatisiert. Hinterher eine mächtige Schnitte vom Filet, gut drei Zentimeter hoch, mit nichts als Salzzitrone und einer abgehoben guten Creme, die Gintenreiter aus dem rohen Rogen und heißem Ochsenmark zieht. Ist mit Sicherheit das Tollste an Meeresfisch, das man seit langem im Binnenland kosten durfte – und, wie es sich gehört, geradlinig, mit Respekt vor der Größe des Produkts dargebracht. Essen aus solch exklusiven Zutaten kostet natürlich, kann nicht anders sein. (RONDO, Severin Corti, 2.6.2023)